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Gedanken zur Nachhaltigkeit

Aktualisiert: 11. Mai 2022

Nachhaltigkeit ist zum Mode- und Lösungswort der letzten Jahrzehnte geworden. Was verstehen sie darunter? Hier eine paar Gedanken von Persönlichkeiten aus der ganzen Welt:

"Die Nachhaltigkeit zum Beispiel impliziert, dass es sich lohnt, das aktuelle bestehende System nachhaltig zu erhalten. Sie impliziert darüber hinaus, dass schon das Fortdauern über längere Zeit ein Erfolgsausweis ist, was wiederum ein Existenzmodell voraussetzt, das eher mit Persistenz zu tun hat, also immer weiter geht und konstant vorhanden ist. Wir haben aber festgestellt, dass die Dinge nicht so sind. ...." Timothy Morton (2019). Ökologisch sein. S 234.


"So erscheint in dem alten Buch [Anm.: Sylvicultura oeconomica von Hans Carl von Carlowitz (1713)] in Umrissen das Konzept der nachhaltigen Entwicklung: die Natur respektieren - mit den Ressourcen haushalten - das Gemeinwesen stärken. Und: Verantwortung für die nachfolgenden Generationen übernehmen." U. Grober (2006). Die Entdeckung der Nachhaltigkeit - Kulturgeschichte eines Begriffs. Antje Kunstmann. S 119.


"Wesentlich für das Überleben solcher „Ökosysteme“ ist, dass sie dem Prinzip der EHRFURCHT vor der natürlichen Umwelt und vor den Traditionen dieses Systems folgen. Statt des Begriffes Ehrfurcht, welcher so viel bedeutet wie Achtung vor der betreffenden Lebenswelt, wird heute auch der wenig glückliche Begriff der NACHHALTIGKEIT eingesetzt." R. Girtler unter www.nachhaltigkeit.at

"Ein Prinzip, zu dem sich nahezu alle Staaten und alle politischen Parteien dieser Erde ohne größere Vorbehalte bekennen, ist entweder eine nichtssagende Selbstverständlichkeit oder eine gut klingende Phrase. ...

... Während bei Reformen des Sozialsystems etwa die Rentner und die Kranken, die Arbeitslosen und die Alleinerzieher, also diejenigen, die nach Status und Kaufkraft ohnehin im unteren Drittel der Gesellschaft angesiedelt sind, schmerzhafte Einschnitte verspüren sollen, hätte eine ernsthafte Umsetzung des Prinzips der Nachhaltigkeit in erster Linie die ressourcenverbrauchenden Konzerne, die Propagandisten und Nutznießer der Wegwerfgesellschaft, die Profiteure der Urwaldzerstörungs- und Tiervernichtungsindustrien und die Lobbyisten der Kernenergie getroffen. ...

... Wer die für einen zivilisatorischen Standard notwendigen Ressourcen jetzt verbraucht, sorgt damit auch dafür, dass nachfolgende Generationen hinter diesen Standard zurückfallen müssen. ..." K.P. Liessmann (2012). Lob der Grenze - Kritik der politischen Unterscheidungskraft." Der Geschmack der Nachhaltigkeit. Zsolnay. S 119-128.


"Von den Gesellschaften selbst wird die Haltbarkeit ihrer heutigen Lebensformen zunehmend als problematisch empfunden - wäre es anders, würden die Eliten in den sozialen Subsystemen nicht seit einer Weile unentwegt über die Nachhaltigkeit ihres modus vivendi diskutieren. Ohne Zweifel stellt das Wort "Nachhaltigkeit" das semantische Zentralsymptom der gegenwärtigen Kulturkrise dar: Es spukt durch die Reden der Verantwortungsträger wie ein neurotischer Tick, der auf ungeklärte Spannungen in unseren Antriebssystemen schließen läßt. Es antwortet auf ein Unbehagen, das unser Dasein in der technischen Zivilisation mit einem zunehmenden Unhaltbarkeitsgefühl unterwandert. Dieses Gefühl ist untrennbar von der Erkenntnis, dass unsere "Gesellschaft" - um den suspekten Begriff nun ohne weitere Hinterfragung zu verwenden - in einen Selbsterhaltungsstress geraten ist, der von uns ungewöhnliche Leistungen abrufen wird." Peter Sloterdijk (2011), Streß und Freiheit, Suhrkamp, Berlin.


"Heute könnte man für das weidgerechte Jagen einen anderen Namen finden, nämlich nachhaltiges Jagen." H. Leitner (2008) in 14. Österr. Jägertagung. Technische Hilfsmittel für Hege und Bejagung - eine kritische Betrachtung aus Jagdethischer Sicht. S 41.


"Nachhaltigkeit bedeutet hier, dass die Nutzung von natürlichen Ressourcen in gleichwertiger Weise sowohl jetzt als auch in Zukunft (für künftige Generationen) möglich ist." Forstner, M., F. Reimoser, W. Lexer, F. Heckl und J. Hackl (2006): Nachhaltigkeit der Jagd. Prinzipien, Kriterien und Indikatoren. Erweiterte Fassung. Hrsg. Umweltbundesamt GmbH. avBUCH Österr. Agrarverlag.


"Es wäre ein maßloser Hochmut, wenn der Mensch in der Schöpfung nichts anderes als ein Rohstofflager zur Befriedigung seiner Bedürfnisse sehen würde." Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hrsg.). Zukunft der Schöpfung - Zukunft der Menschheit. Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen der Umwelt und der Energieversorgung. http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/veroeffentlichungen/deutsche-bischoefe/db28.pdf


"Im Sinne der griechischen Philosophie ist die Maßhaltung jene Tugend, die die verschiedenen Systeme integriert: das Ökosystem der Schöpfung ebenso wie die Wirtschafts- und Sozialsysteme der Gesellschaft. Maßhaltung ist also vor allem eine systemische Tugend. Die Bedürfnisse der verschiedenen Systeme sollen in Ein-Klang, in Harmonie miteinander gebracht werden. Sie sollen zueinander verhältnismäßig sein, proportional. Sie sollen aufeinander abgestimmt werden." Rosenberger M. & P. Kunzmann (2012): Ethik der Jagd und Fischerei. In: Das Tier an sich. Herwig Grimm und Carola Otterstedt (Hrsg.). S 297-314. Göttingen.


"Die Voraussetzung für einen nachhaltigen Umgang mit Rohstoffen ist ihr sozialer Gebrauch, nicht die physikalisch mögliche Effizienz ihrer Nutzung." Harald Welzer (2014): Selbst denken. Eine Anleitung zum Widerstand. S 108.


"Der schon etwas abgestandene Begriff der "Nachhaltigkeit" ist mickrig im Vergleich zum Pachamama-Gedanken: Ausbeutung und Besitznahme der Natur sind schlichtweg zu beenden." Eva Maria Bachinger: Wem gehört die Erde? Das "Gute Leben" als Verfassungsprinzip. Wie eine alte Philosophie den Raubbau an unseren Ressourcen beenden soll. SN, 10.1.2015



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